Russian Hamlet


Ein Ballett von Boris Eifman

Musik: Ludwig van Beethoven, Gustav Mahler

 

Set / Kulisse und Kostüme: Vyacheslav Okunev

Licht: Alexander Sivaev, Boris Eifman

 


In seiner Inszenierung rückte der Choreograf die Figur Paul I. in den Mittelpunkt – eine der geheimnisvollsten und widersprüchlichsten Figuren der russischen Geschichte. Boris Eifman beschränkte den zeitlichen Rahmen der Inszenierung auf Pauls Leben als Thronfolger und porträtierte brillant die tragische Konfrontation zwischen dieser außergewöhnlichen und zerbrechlichen Persönlichkeit und der feindlichen, auf Gewalt, Verrat und Lüge aufgebauten Welt.

 

In den Jahren seines aktiven Bühnendaseins wurde das Ballett mit unglaublichem Erfolg in den USA, Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich, China, Südkorea, Argentinien und vielen anderen Ländern aufgeführt. „Mit so vielen neuen Lösungen und künstlerischen Metaphern, mit derartigen Ebenen der emotionalen Intensität hat sich Eifman diesmal selbst übertroffen, denn es gibt wirklich niemanden, der mit ihm konkurrieren kann. Zwei führende Ballettkritiker, Anna Kisselgoff und Clive Barnes, wiesen ihm einstimmig den Vorrang im modernen Ballett zu“, schrieb die bekannte Journalistin Bella Yezerskaya, nachdem sie Russian Hamlet gesehen hatte. Die New York Times schrieb in ihrer Rezension zur Inszenierung, dass Boris Eifman „einen Weg mit elektrisierenden Bildern und theatralischen Fantasien hat, den andere Choreografen nicht haben.“ Im Jahr 2012 wurde das Ballett aus dem Repertoire genommen.

 

In der 40. Jubiläumssaison des Eifman Ballet wendet sich Boris Eifman im Rahmen des Trends, seine berühmten früheren Produktionen wieder aufleben zu lassen, erneut Russian Hamlet zu. Er interpretiert die choreografische Partitur neu, um sie noch einfallsreicher, raffinierter und emotional intensiver zu gestalten, während die Handlung des Balletts im Wesentlichen unverändert bleibt.

 

„Das Leben des Prinzen Paul, später Paul I. von Russland, hat eine auffallende Ähnlichkeit mit dem des Prinzen Hamlet; es ist in mehr als einem Aspekt rätselhaft und voller mystischer Omen. Geboren mit einer fröhlichen und positiven Einstellung, brillant ausgebildet, war er begierig sich darauf vorzubereiten, seinem Land zu dienen. Doch die Ermordung seines Vaters, Zar Peter III., die Abneigung seiner Mutter, denn die Zarin Katharina II. misstraute ihrem eigenen Sohn und Erben, die Umgebung ständiger Überwachung, Intrigen, Befürchtungen und Demütigungen waren es, die Paul schließlich in die Scheinwelt der Fantasie und des Irrglaubens, des Verfolgungswahns und der geistigen Isolation trieben. Von Kindheit an neigte er zum Mystizismus (Pauls Geschichte von der Begegnung mit dem Geist Zar Peter des Großen ist dokumentiert), und er ahnte sein eigenes tragisches Ende voraus; dieses Bewusstsein ließ ihn leidenschaftlich nach Macht streben, um Zeit zu gewinnen, seine Reformen zum Wohle Russlands zu verankern. Ohne Wertschätzung seiner Bemühungen wurde er vom Hofadel grausam ermordet und von der Nachwelt verflucht.

Der Held unseres Balletts ist Prinz Paul in seinen jungen Jahren. Wir stellen ihn in der Zeit dar, als er voller glänzender Ideen und weitreichender Ambitionen war und kurz davor stand, die ersten tragischen Wendungen in seinem Leben zu erleben. In diesem Ballett suchen wir nach einer Antwort auf Hamlets ewiges Dilemma: ‚Sein, oder nicht sein?‘.“

 

Boris Eifman

 

Synopsis                                                                                           

 

Prolog

 

Russland während der Herrschaft von Peter III.: Katharina, die Gattin des Zaren, ist durch die Trinkgelage ihres ungeliebten Mannes gedemütigt. Ihr Günstling am Hof hilft ihr bei der Inszenierung eines Putsches gegen den Herrscher. Der junge Prinz Paul wird unfreiwillig Zeuge der Ermordung seines Vaters.

 

Akt I

 

In den Gemächern des Zarenpalastes: Paul ist einsam unter den heuchlerischen Höflingen, in der Atmosphäre von sinnlosem Treiben der Zofen, Klatsch und Intrigen. Die Zarin, seine Mutter, ist unnahbar, immer abgeschirmt von ihrem Günstling. Katharina ist nicht bereit, ihre Macht zu teilen. Sie hält ihren Sohn von den Staatsgeschäften fern.

Die Zarin kommt zu dem Entschluss, dass eine frühe Heirat den Erben von jeglichen Gedanken an die Thronfolge abhalten könnte.

Paul ist glücklich mit seiner Frau, aber sie ist erfüllt von ehrgeizigen Plänen – sie setzt ihren Mann unter Druck, sein Recht auf den Thron von Russland einzufordern. Die Zarin erfährt von den Absichten der jungen Braut. Lügen und Verrat sind am Hof an der Tagesordnung. Katharinas nächster Plan zerstört das glückliche Eheleben des Erben nach dem Verrat seiner Frau, die zur Beute des Günstlings wird. Doch auch das ist nicht genug: Der Tod seiner Geliebten ist der Preis, den er für das Streben nach dem Thron zahlt.

 

Akt II

 

Die Labyrinthe des Zarenpalastes erschrecken Paul mit kalter Feindseligkeit und nehmen ihm die Hoffnung, sich von der Macht der Herrscherin zu befreien. Der Erbe träumt von glorreichen militärischen Siegen. Doch das ist nur eine Illusion der Macht.

In seinen Erinnerungen sieht Paul seine tote Frau, seine Kindheit, seinen ermordeten Vater.

Der Maskenball, dem die Zarin vorsteht, weitet sich zu einer Orgie aus. Paul lädt Katharina zu einer Theatervorstellung ein. Die Schauspieler spielen auf Anweisung des Erben die Szene der Ermordung des Zaren durch seine untreue Frau und deren Liebhaber nach. Die Monarchin, die die Anspielung auf ihre Beteiligung an der Verschwörung erkennt, ist wütend. Paul findet zum ersten Mal die Kraft, sich gegen seine Mutter zu behaupten.

Der Günstling ist in Aufruhr. Mit seinen Liebkosungen versucht er, die Zuneigung der Zarin zurückzugewinnen, doch vergeblich – er hat seinen Zweck erfüllt.

Der Geist des Vaters drängt Paul, sich zu rächen. In seiner Fantasie nimmt der Erbe die ersehnte Rache: Der Günstling stirbt in den Armen des Geists des von ihm ermordeten Königs. Im Rausch der Imaginationen sieht Paul die Zarin. Jetzt ist sie an der Reihe, er muss nur noch sein Schwert schwingen ... doch der Erbe kann seiner Mutter keinen tödlichen Schlag versetzen.

Der Preis der Zarin für den Thron ist die völlige geistige Isolation. Die Furcht vor dem Tod erfüllt ihre Seele.

Selbst Träume von der Thronbesteigung bringen Paul keine Freude. Er sieht das fatale Ende seiner kurzlebigen Herrschaft voraus. Der Erbe ist nicht dazu bestimmt, den Ruhm seiner Mutter zu erlangen. Und Paul begreift: Er ist nur ein Gefangener seiner Träume, ein Spiegelbild seiner eigenen ängstlichen Phantasmagorie.



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